Errungeschaft Allgemeines Wahlrecht
Bei allen Wahlen, gilt in Österreich das allgemeine Wahlrecht.
Es bedeutet, dass mit gewissen Einschränkungen grundsätzlich alle Staatsbürger wählen dürfen, unabhängig etwa von Bildungsstand, Einkommen, Religion oder Geschlecht. Dieses Recht hat es jedoch nicht immer gegeben. Im Gegenteil: Das allgemeine Wahlrecht musste über Jahrhunderte hinweg im Interessenskonflikt mit Monarchen, Adel und Bürgertum errungen werden. Dies hatte zur Folge, dass nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Staaten das Wahlrecht „scheibchenweise“ eingeführt wurde und zunächst an bestimmte Bedingungen geknüpft war: Zum Beispiel an Stand, Besitz (Kurienwahlrecht), Bildung oder Steuerleistung (Zensuswahlrecht).
Und selbst dort, wo das allgemeine Wahlrecht für Männer verwirklicht war, stand es Frauen noch immer nicht offen. Vor rund drei Jahrzehnten gab es beispielsweise in der Schweiz noch immer Kantone (= Regionen), in denen Frauen nicht wählen und gewählt werden durften!
In Österreich begann die Entwicklung hin zum allgemeinen Wahlrecht im Revolutionsjahr 1848, als erstmals ein an die Steuerleistung gebundenes Wahlrecht eingeführt wurde. Dieses wurde in den folgenden Jahrzehnten schrittweise ausgeweitet. Trotzdem durften beispielsweise 1873 erst rund sechs Prozent der männlichen Bevölkerung ab einem Alter von 24 Jahren ihre Stimme abgeben! Erst 1907 folgte der nächste große Wurf, als das allgemeine Männerwahlrecht (aktiv ab 24 Jahren, passiv ab 30 Jahren) eingeführt wurde.
Erst 1919, also nach dem Untergang der Habsburgermonarchie, erhielten auch Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Dieses feierte also erst 2019 seinen 100. Geburtstag! Das bedeutet aber nicht, dass es während dieser Zeit auch immer gegolten hat: Während der Zeit des austrofaschistischen Ständestaates (1933 bis 1938) und während der Diktatur des Nationalsozialismus (1938 bis 1945) war dies nicht der Fall gewesen. Erst 1945 wurde das allgemeine Wahlrecht wieder eingeführt, wobei anfangs allerdings noch die ehemaligen Nationalsozialisten ausgeschlossen waren. Die jüngste Ausweitung des allgemeinen Wahlrechts fand 2007 statt und betraf die Senkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 und des passiven Wahlalters von 19 auf 18 Jahre.