Sprachförderung wirkt!
Seit 2016 werden aber nicht nur bereits DreijĂ€hrige gefördert, sondern auch der Beobachtungszeitraum hat sich von zwei auf drei innerhalb eines Arbeitsjahres fĂŒr die jeweiligen Altersgruppen erhöht. Und die Fördereinheit wurde von einer halben auf eine volle Stunde erweitert. Die gezielte Sprachförderung erfolgt ganzheitlich mit allen Sinnen: Auditiv, haptisch und kinetisch. Auch die Eltern werden verstĂ€rkt miteinbezogen und zur Vertiefung der pĂ€dagogischen Angebote mit Materialien fĂŒr zu Hause versorgt.
In den stĂ€dtischen KindergĂ€rten herrscht eine sehr hohe Dichte an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache. In Expertenkreisen wird hierbei von sogenannten Hotspot-KindergĂ€rten gesprochen. Von den insgesamt zwölf Betreuungseinrichtungen sind elf Hotspot-KindergĂ€rten, einige mit einem Anteil von 98 Prozent an Kindern mit Sprachförderbedarf. Man ist sich einig, dass eine gezielte Sprachförderung im Kindergarten viele Entwicklungsprobleme vermeiden könne, denn Kommunikation bildet das RĂŒstzeug fĂŒr das gesamte Leben. Ohne die Landessprache verstehen und anwenden zu können, bleiben viele TĂŒren geschlossen.
Sprachliche Bildung gehört zu den Kernaufgaben der Kindertagesbetreuung. Mit Hilfe von spielerischen und in den Betreuungsalltag der Kinder integrierten MaĂnahmen sprachlicher Bildung bauen Kinder ganz nebenbei ihren Wortschatz aus und erlernen die Regeln unserer Sprache. Ziel ist es, die Kinder auf den gleichen Entwicklungsstand Gleichaltriger zu bringen.
Aktuell werden 1.334 Kinder zwischen drei und sechs Jahren betreut. 964 Kinder werden sprachgefördert, das sind rund 72 Prozent. FĂŒr 659 erhĂ€lt der Magistrat eine finanzielle Förderung nach 15aBV (69,8 Prozent), fĂŒr 305 Kinder wird die Sprachförderung zur GĂ€nze aus Eigenmitteln finanziert. Die jĂ€hrlichen Lohnkosten in der Sprachförderung betragen rund 860.000 Euro. Der Förderbetrag des Landes belĂ€uft sich auf 480.000 Euro, der Rest von 380.000 Euro wird von der Stadt getragen.
Derzeit sind rund 40 SprachpĂ€dagogen im Einsatz. SprachpĂ€dagogen sind ElementarpĂ€dagogen, Volksschullehrer oder SozialpĂ€dagogen mit zusĂ€tzlicher Ausbildung. Die Qualifikationsanforderungen gehören in Oberösterreich mit Abstand zu den höchsten in ganz Ăsterreich.
SĂ€mtliche Leitungen und auch einige PĂ€dagoginnen absolvierten bereits den dreisemestrigen Lehrgang âFrĂŒhe Sprachförderungâ an der PĂ€dagogischen Hochschule. WĂ€hrend der jĂ€hrlichen Fortbildung wird darauf Wert gelegt, dass SprachförderpĂ€dagoginnen auch die fachspezifischen Fortbildungen des Landes OĂ und der beiden PĂ€dagogischen Hochschulen in Linz absolvieren. AuĂerdem werden bei Bedarf interne Weiterbildungen absolviert.
Die SprachpĂ€dagogen sind fixen Gruppen zugeteilt, sodass sie auch zu festen Bezugspersonen fĂŒr die Kinder werden.
Zunahme der Sprachkompetenz
Bei Eintritt in den Kindergarten wird bei allen Welser Kindern mit Hilfe von BESK-Bögen (Beobachtungsbogen zur Erfassung der Sprachkompetenz) eine Sprachstandsfeststellung erhoben. Der Beobachtungszeitraum erstreckt sich dabei ĂŒber mehrere Wochen. Erhoben werden die zentralen Sprachbereiche: Satzbau, Wortschatz-Rezeption und Wortschatz-Produktion. Beobachtet wird in den natĂŒrlichen alltĂ€glichen Situationen in den KindergĂ€rten. Danach werden die Kinder in der deutschen Sprache gezielt in Kleingruppen oder einzeln gefördert (30 Prozent Kleingruppen, 30 Prozent Zweiergruppen, 40 Prozent einzeln).
Die Stadt Wels hat nun als erste Stadt/Gemeinde Ăsterreichs den Nutzen der Sprachförderung evaluieren lassen. Der Evaluierungsbericht wurde durch das Institut fĂŒr Forschung und Entwicklung der Privaten PĂ€dagogischen Hochschule der Diözese Linz verfasst. FĂŒr die Auswertung wurden zwei Messzeitpunkte herangezogen, das drittletzte und das vorletzte Kindergartenjahr.
Ausgewertet wurden die Sprachstandsfeststellungen von insgesamt 297 Probanden von insgesamt zwei Erhebungszeitpunkten. Die Bewertung zeigt eine deutliche und hochsignifikante Zunahme von sprachlicher Kompetenz in allen drei Bereichen, sowohl das SprachverstÀndnis als auch die Sprachanwendung betreffend. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht dabei nicht. Kurz zusammengefasst: Die Sprachkompetenz hat sich bei allen erkennbar verbessert.
Verbesserung aller Sprachgruppen
Insgesamt kann man von rund 42 Muttersprachen ausgehen, die in den stĂ€dtischen KindergĂ€rten vertreten sind. 23,2 Prozent der geförderten Kinder haben als Muttersprache Albanisch, 22,9 Prozent TĂŒrkisch, 11,1 Prozent Bosnisch und 8,8 Prozent Deutsch. Die restlichen Prozent verteilen sich auf RumĂ€nisch, Arabisch, Kroatisch, Serbisch, Kurdisch, Ungarisch und sonstige Sprachen.
Unterschiede in der Verbesserung im Zusammenhang mit der Muttersprache sind fĂŒr die GesamteinschĂ€tzung der Sprachkompetenz grundsĂ€tzlich nicht erkennbar. Es zeigten sich lediglich in den Bereichen Satzbau und SatzbildungsfĂ€higkeit muttersprachliche abhĂ€ngige Unterschiede, die sich allerdings bei der zweiten Sprachstandsfeststellung verringerten.
Unterschiede in den Sprachsystemen sind fĂŒr auftretende Lernschwierigkeiten der deutschen Sprache im frĂŒhen Kindesalter jedenfalls nicht hauptverantwortlich. Die HĂŒrden beim Deutscherwerb liegen in den Besonderheiten der zu lernenden deutschen Grammatik und stellen an die Lernenden die gleichen Anforderungen.
Gesellschaftlich-soziale Bedeutung
Die Sprachförderung hat fĂŒr die ElementarpĂ€dagogen einen sehr hohen Stellenwert. Bei der Auswertung der Befragung hat sich ein Net-Promotor-Score (NPS) von 88,3 Prozent ergeben. Der NPS ist eine Kennzahl, die misst, inwiefern eine Dienstleistung oder auch ein Produkt weiterempfohlen wird. Verglichen mit Befragungen anderer sozialer Dienstleistungen ist dies ein sehr hoher Wert.
Bei der Bedeutung der Sprachförderung kann zwischen der âgesellschaftlich-sozialen Bedeutungâ und der âBedeutung fĂŒr die Biographie des Kindesâ differenziert werden. Der Wert der Sprachförderung wurde von allen Probanden, ohne signifikante Unterschiede hinsichtlich Alter und Berufserfahrung, als sehr hoch eingeschĂ€tzt.
Auszug der Aussagen der PĂ€dagoginnen:
âWichtig fĂŒr die Integration der Kinderâ
âDeutsch ist Bildungssprache!â
âOhne Sprache keine Kommunikation, kein sich verstĂ€ndlich Machen, kein Lernen, kein soziales Zusammenleben,âŠâ
âDie sprachliche Förderung hat immense Auswirkung auf die Bildungschancen.â
â⊠fĂŒr die Schulvorbereitung.â
â⊠zum Erhöhen der Bildungschancen.â
âJe frĂŒher die Förderung, desto besser.â
âSprachförderung ist in dieser Form sehr effizient.â
Experten und SprachförderpĂ€dagogen sind sich einig, dass die Förderung nicht frĂŒh genug beginnen kann. Mit dem Erlernen der deutschen Sprache stĂ€rkt man das Selbstvertrauen, erhöht die KonzentrationsfĂ€higkeit und verbessert das HörverstĂ€ndnis.
Fazit
Der Evaluierungsbericht zeigt deutlich die Notwendigkeit und auch die EffektivitĂ€t der Sprachförderung ab drei Jahren. Um diesen Erfolg fĂŒr die Kinder auch langfristig zu festigen, bedarf es jedoch weiterer MaĂnahmen.
1) VerstÀrkte Einbindung der Eltern
Ein wesentlicher Bestandteil in der Sprachförderung ist die Einbeziehung der Eltern. Wichtig ist hierbei, ihnen deutlich zu machen, dass es in ihrer Verantwortung liegt, dass ihre Kinder möglichst bald und korrekt die deutsche Sprache erlernen sollen, um auch gut auf die Schule vorbereitet zu sein. Gerade durch die Corona-Pandemie hat sich das Sprachdefizit vieler Kinder wieder vergröĂert. Deshalb sind jetzt die Eltern besonders gefordert, das erlernte Wissen und Können der Kinder zu festigen und zu trainieren.
2) Verpflichtendes Kindergartenjahr fĂŒr alle mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen
Kinder mit einer anderen Erstsprache mĂŒssen frĂŒhzeitig die Chance erhalten, die deutsche Sprache zu erlernen. Um eine Chancengleichheit herzustellen, sollten deshalb alle mit schlechten bis keinen Deutschkenntnissen zwei Jahre verpflichtend den Kindergarten besuchen, um dort gezielt gefördert zu werden.
3) Bundesförderung ab drei Jahren
Der groĂartige Erfolg der Sprachförderung ab drei Jahren sollte vom Bund finanziell unterstĂŒtzt werden.
4) Brennpunktschulen
An den Schulen wird eine Sprachstandsfeststellung nur einmalig in Form eines Tests durchgefĂŒhrt. Diese Momentaufnahme kann dazu fĂŒhren, dass SchĂŒler, die noch UnterstĂŒtzung brĂ€uchten, keine Sprachförderung bekommen. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Schulen mehr finanzielle und personelle Ressourcen erhalten, um an den Erfolg des Kindergartens anzuknĂŒpfen.
Zitate
BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl: âUnsere Sprachförderung wirkt. Nur mit ausreichenden Sprachkenntnissen ist ein erfolgreicher Bildungs- und auch spĂ€terer Berufsweg möglich. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr fĂŒr alle, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, wĂŒrde deshalb besonders jenen Kindern zu Gute kommen, die sonst nur ein Jahr gehen wĂŒrden. Und auch die Eltern mĂŒssen verstĂ€rkt in die Pflicht genommen werden, um ihren Kindern gröĂere Chancen fĂŒr die Zukunft zu geben.â
Generationen-StadtrĂ€tin Margarete Josseck-Herdt: âDer Erfolg gibt uns Recht. Es war ein wichtiger und richtiger Schritt, im Jahr 2016 die Sprachförderung in den KindergĂ€rten zu intensivieren, indem auch die DreijĂ€hrigen gefördert und eigene SprachförderpĂ€dagogen eingesetzt werden, die ausschlieĂlich die Kinder in Kleingruppen oder einzeln in Deutsch unterrichten.â
HS-Prof. Mag. Dr. OStR Emmerich Boxhofer (Institut Forschung und Entwicklung der PĂ€dagogische Hochschule der Diözese Linz): âDie vorliegenden Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen lassen auf eine hohe Wirkung der Sprachförderung schlieĂen. Es ist daher zu empfehlen, diese FördermaĂnahmen weiterzufĂŒhren und auch auszubauen, um eine kommunikative und damit gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen.â
MEd. Dr. MA DaniĂšle Hollick (Institut Forschung und Entwicklung der PĂ€dagogische Hochschule der Diözese Linz): âElementarpĂ€dagogen machen differenzierte Aussagen zur Notwendigkeit einer professionellen Sprachförderung im Kindergarten. Dieser ist die elementare Bildungsinstitution, mit der ein Fundament fĂŒr weitere Lernentwicklungen gelegt wird. Die Ergebnisse dieser Befragung ermöglichen eine weitere Entwicklung der Sprachförderung im Kindergarten in Richtung einer qualitĂ€tsvollen UnterstĂŒtzung und professionellen Begleitung der sprachlichen Entwicklung aller Kinder.â
Im Bild (v.l.):
Mag. Dr. OstR Emmerich Boxhofer und Dr. MA Daniele Hollick (beide Institut Forschung und Entwicklung, PĂ€dagogische Hochschule der Diözese Linz), Armin Gruber, MA (Dienststelle Kinderbetreuung), BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl und Generationen-StadtrĂ€tin Margarete Josseck-Herdt.