Frauen im Islam als Schwerpunkt bei der Frauenstrategie 21+
Sie sind vielfach ökonomisch abhÀngig, wesentlich hÀufiger von Armut betroffen als MÀnner, durch das Fehlen von KinderbetreuungsplÀtzen benachteiligt sowie Gewalt ausgesetzt. Diese UmstÀnde veranlassen die Stadt Wels dazu, in den kommenden Jahren einen besonderen Fokus auf die Gleichstellung und Förderung von Frauen in der Stadt zu richten.
Prozentuell betrachtet betrĂ€gt der Anteil der weiblichen Bevölkerung in der Stadt Wels (mit Stichtag 1. JĂ€nner 2019) 50,76 Prozent. In der Gruppe der österreichischen StaatsbĂŒrger halten in Wels die Frauen die Mehrheit (51,87 Prozent zu 48,13 Prozent). Umgekehrt verhĂ€lt es sich bei der Gruppe der nicht-österreichischen StaatsbĂŒrger: Hier bilden die MĂ€nner mit 52,19 Prozent (47,81 Prozent Frauen) die Mehrheit. Ebenfalls ĂŒberwiegend mĂ€nnlich sind die Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien (52,03 Prozent MĂ€nner, 47,97 Prozent Frauen) sowie aus der TĂŒrkei (53,48 Prozent MĂ€nner, 46,52 Prozent Frauen).
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen bildete bei der Erstellung des Strategiepapiers âFrauen in Wels â Strategie 2019 bis 2021â vor allem der Frauenbericht 2016 die Grundlage der nachstehenden Ăberlegungen.
Frauen in Wels â Strategie 2019 bis 2021
Die fĂŒr die Jahre 2019 bis 2021 festgelegte Strategie besteht aus drei Handlungsfeldern:
- Jahresprogramme mit einem Schwerpunktthema,
- Umsetzung/Bearbeitung von bedeutenden Themen fĂŒr Frauen und
- Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung.
1. Jahresprogramme
Bis dato wurden jĂ€hrliche Programme erarbeitet und diese unter ein Motto beziehungsweise Schwerpunktthema gestellt. Diese Vorgangsweise wird weiter beibehalten, da sich dies bewĂ€hrt hat und einen konstruktiven Einsatz der vorhandenen Mittel sicherstellt. Durch Kooperationen â unter anderem mit dem StĂ€dtebund â kommt es darĂŒber hinaus zu finanziellen Vorteilen.
FĂŒr die kommenden Jahre sind die Schwerpunktthemen âGewalt an Frauenâ (2019), âDigitalisierungâ (2020) und âFrauen sind vielfĂ€ltig (Rollenbilder, Klischees und Stereotypen)â (2021) vorgesehen. Dabei ist 2021 geplant das Thema âFrauenbilder in den Religionenâ in den Mittelpunkt zu stellen. Neben Veranstaltungen und Aktionen bieten die Jahresprogramme spezielle Angebote und Projekte zum jeweiligen Motto. Themen wie der Internationale Frauentag, der Equal Pay Day, der Equal Pension Day und die Aktion â16 Tage gegen Gewalt an Frauenâ werden jedes Jahr unabhĂ€ngig vom Jahresmotto behandelt.
FĂŒr das heurige Jahresprogramm âGewalt an Frauenâ konnten bereits zahlreiche Programmpunkte fixiert werden. So sind unter anderem Selbstverteidigungskurse fĂŒr Frauen, ein Filmabend, Frauen-Stammtische zu wechselnden Themen, ein Projekt der Frauenbeauftragten Ăsterreichs in Kooperation mit dem StĂ€dtebund, StraĂenverteilaktionen sowie MaĂnahmen zur Sensibilisierung von MĂ€nnern geplant â NĂ€here Details dazu erfolgen zeitgerecht.
2. Umsetzung/Bearbeitung bedeutender Themen
Parallel zu den jeweiligen Jahresprogrammen werden unter anderem folgende Einzelthemen und deren Umsetzung diskutiert beziehungsweise thematisiert:
- Kinderbetreuung und Elternarbeit sowie PĂ€dagogenarbeit (Ausbau der Kinderbetreuung, Optimierung der Ăffnungszeiten und SchlieĂtage, Ausbau der Hort- und Nachmittagsbetreuung, ganztĂ€gige Schulformen, Aus- und Weiterbildung von BeschĂ€ftigten usw.).
- Arbeit und Erwerbsleben (Schwerpunkt MÀdchenförderung in technischen Lehrberufen)
- Wohnen (Schaffung von ausreichendem und leistbarem Wohnraum in den Stadtteilen)
- Gesundheit (spezielle Gesundheitsausbildungen fĂŒr Frauen mit und ohne Migrationshintergrund unterstĂŒtzen)
- MĂ€dchenarbeit (Streetwork und Jugendarbeit mit Fokus MĂ€dchenarbeit)
- Sonstiges (Unterzeichnung der âEuropĂ€ischen Charta fĂŒr die Gleichstellung von Frauen und MĂ€nnern auf lokaler Ebeneâ)
3. Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung
Die Jahresprogramme sind ein Teil der Bewusstseinsbildung und werden bereits bisher mit entsprechenden Projekten und Kampagnen begleitet. Teilweise wurden diese aufgrund der Kooperationen mit dem Ăsterreichischen StĂ€dtebund und anderen StĂ€dten österreichweit durchgefĂŒhrt. Innerhalb der Jahresprogramme soll die Bewusstseinsbildung unter anderem durch BroschĂŒren in den einzelnen Themenbereichen verstĂ€rkt und verankert werden. Parallel zu den Jahresprogrammen sind bei allen anderen TĂ€tigkeiten entsprechende begleitende Informationskampagnen durchzufĂŒhren.
Muslimische Frauen im Fokus
Durch die Migrationsbewegung aus islamisch geprĂ€gten LĂ€ndern, wie Syrien und Afghanistan hat sich der Anteil jener Bevölkerungsgruppen in den letzten Jahren deutlich erhöht â auch in Wels. Derzeit leben â laut einem aktuellen Forschungsbericht aus dem Jahr 2017 im Auftrag des ĂIF (Ăsterreichischen Integrationsfonds) â etwa 700.000 Muslime in ganz Ăsterreich.
Die Studienautoren Peter Filzmaier und Flooh Perlot haben in ihrer Studie die Einstellungen zu ReligionsverstĂ€ndnis, Gesellschaft, Politik und Familie von FlĂŒchtlingen, Zuwanderern und bereits in Ăsterreich geborenen Muslimen analysiert
Ein Teil der muslimischen Einwanderer bringt politisch-ideologisches Gedankengut mit, das ĂŒber den Privatbereich der Religion hinausgeht. Hier geht es um die Verletzung der Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte. Generell besteht ein starker Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Rolle des Islams und den Alltagsregeln beziehungsweise dem Verhalten gegenĂŒber Frauen.
Laut Forschungsbericht ist es 40 Prozent der befragten FlĂŒchtlinge wichtig, dass der Islam in der eigenen Familie sowie in der Gesellschaft eine starke Rolle spielt. Mehr als die HĂ€lfte der Befragten hat, laut vorliegender Erhebung, VerstĂ€ndnis dafĂŒr, wenn MĂ€nner Frauen nicht die Hand schĂŒtteln wollen. 20 Prozent lehnen einen gemeinsamen Turn- oder Schwimmunterricht von Burschen und MĂ€dchen generell ab.
Die Zustimmung zu religiös motivierter Gewalt ist bei manchen Teilgruppen, darunter insbesondere bei Menschen aus Tschetschenien und Somalia, erschreckend hoch. So stimmen 17 Prozent der FlĂŒchtlinge einer gewaltsamen Verteidigung der Familienehre uneingeschrĂ€nkt zu. Die anderen Gruppen lehnen diese Aussage hingegen ab. Anzumerken ist, dass es immer die Frau ist, die die Familienehre verletzt.
Geplante MaĂnahmen
Neben der Umsetzung des Konzepts âFrauen in Wels â Strategie 2019 bis 2021â liegt ein Fokus der Stadt Wels auf der Bevölkerungsgruppe der muslimischen Frauen. Um das muslimische Frauenbild in der Bevölkerung zu erheben, ist noch im heurigen Jahr eine Umfrage zu diesem Thema geplant. ZusĂ€tzlich zu einer reprĂ€sentativen quantitativen Umfrage (500 bis 800 Teilnehmer) soll das Meinungsbild auch in qualitativen Interviews erhoben werden.
In einer derartigen Umfrage soll insbesondere geklĂ€rt werden, inwieweit das Frauenbild der Welser Bevölkerung je nach Religionszugehörigkeit differiert. Sollte sich dabei eine erhebliche Differenz zwischen dem Frauenbild der muslimischen Welser Bevölkerung und der Restbevölkerung ergeben, so sind auch die MaĂnahmen zur AufklĂ€rung bzw. zur Sensibilisierung im Zusammenhang mit dem Thema Gleichstellung von Mann und Frau speziell auf diese Bevölkerungsgruppe auszurichten.
Besonders bei dieser Bevölkerungsschicht ergibt sich die Herausforderung, die Frauen zu erreichen. Bereits jetzt sind dazu so genannte Dialogrunden mit muslimischen Frauen in den muslimischen Vereinen geplant.
Ebenfalls geplant sind spezielle Angebote fĂŒr muslimische MĂ€nner zur Bewusstseinsbildung. Hier braucht es die Notwendigkeit, den MĂ€nnern zu vermitteln, dass frĂŒhere traditionelle Werte und Normen heute ihre GĂŒltigkeit verloren haben. Gewalt darf nie ein Zeichen von MĂ€nnlichkeit sein. Mögliche Angebote sind eine Anlaufstelle fĂŒr MĂ€nner, Anti-Gewalt-Projekte sowie Trainingsprogramme fĂŒr Jugendliche und MĂ€nner zur gewaltfreien Erziehung.
Zitate
BĂŒrgermeister Dr. Andreas Rabl: âUnsere Stadt ist offen und tolerant. Unsere Toleranz muss aber dort aufhören, wo Menschenrechte verletzt werden. MĂ€nner, die Frauen nicht die Hand schĂŒtteln oder MĂ€dchen vom Schwimmunterricht abmelden, dĂŒrfen nicht hingenommen werden. Mit dem Strategiepapier âFrauen in Wels - Strategie 2019 bis 2021â wollen wir uns verstĂ€rkt fĂŒr diese Frauengruppe stark machen. Frauenrechte mĂŒssen fĂŒr alle Frauen gelten, unabhĂ€ngig ihrer Religionszugehörigkeit. Ein friedliches Miteinander kann nur erfolgen, wenn alle unsere europĂ€ischen Werte gleichermaĂen akzeptieren und respektieren.â
Frauenreferentin VizebĂŒrgermeisterin Silvia Huber: âIn den letzten 100 Jahren wurde viel fĂŒr die Frauen erreicht, aber wir sind noch lange nicht bei einer echten Gleichstellung. Frauenrechte sind Menschenrechte, daran gibt es nichts zu rĂŒtteln. Frauen ĂŒber ihre Rechte aufzuklĂ€ren ist das zentrale Ziel der Strategie. Wenn Frauen ihre Rechte kennen, können sie diese einfordern. DafĂŒr brauchen Frauen Mut â und dieses Mutmachen ist ein weiteres Ziel. Besonders wichtig ist mir, dass ich mit muslimischen Frauen ins GesprĂ€ch komme und mich mit ihnen austausche, denn ich möchte nicht ĂŒber sie reden, sondern mit ihnen.â